Waale im Vinschgau
Scheinbar wahllos durchziehen die alten Waale di fluren des Vinschgaus. Doch Ihr Verlauf ist das Werk des Menschen und kein noch so merkwürdiger Schnörkel ist Zufall. Der Mensch hat sich die Natur dienstbar gemacht und den Drang des Wassers gesteuert, ohne ihn zu behindern. Dorthin wo der Bauer das wertvolle Nass für das Gedeihen seiner Kulturen benötigte. Bis in den letzten Winkel.
Wer heute an einem der jahrhundertealten Waalwege entlangwandert, tut sich schwer, in den anmutig plätschernden Wasserläufen etwas anderes als Idylle zu sehen. Die schmalen Wege, der herrliche Blick von der Höhe ins Tal sind ein einmaliges Erlebnis.
alter Bewässerungskanal
Wie die weit verzweigten Wurzeln eines großen Baumes legte sich dieses Bewässerungsnetz über die Landschaft und sicherte den Menschen ihre Ernten. Über viele Kilometer eilen die Bächlein durch Wiesen und Fluren. Um das wertvolle Nass so sinnvoll und zielgenau wie möglich einzusetzen, klügelten die Bauern im Laufe der Jahrzehnte ein immer raffinierteres Bewässerungssystem aus. Zu diesem System gehören nicht nur sehr genaue Regeln darüber wer wann, wo, wie viel und wie lange Wasser ableiten darf, sondern auch Einrichtungen, die aus heutiger Sich einer gewissen Romantik nicht entbehren. Der „Waaler“ kontrolliert die Wasserläufe und trägt Verantwortung dafür, dass sie richtig genutzt und in Stand gehalten werden und dass jeglicher Missbrauch unterbunden wird. Zu den simpelsten und zugleich faszinierensten Merkmalen der Waale gehört die „Waalschelle“. Die an einem Wasserrad befestigte Glocke war ein unüberhörbarer Wächter. So lange das Wasser fließt, bimmelt sie unermüdlich. Wenn sie verstummt, ist es für den „Waaler“ an der Zeit auszurücken und nach dem Rechten zu sehen.
Der Tiroler Dialekt hat hier einen Begriff geformt, der sich dem Nicht-Eingeweihten wohl kaum auf Anhieb erschließt: das „Wasserwŏsser“ – gesprochen Wasser-Wosser. Es ist jenes Wasser, auf das der Bauer Anrecht um seine Felder zu „wassern“.
Einige Waalwander-Tipps finden Sie hier
Hochalmen: An der Lebensgrenze

bewirtschaftete Alm
Nicht minder reizvoll, wenn auch auf andere Weise, sind die Almen des Vinschgaus. Diese hochalpine Landschaft, nach oben hin von vegetationlosen Geröllfelder, kargen Flächen oder Felsen begrenzt, ist für die Viehhaltung heute noch genauso wichtig wie vor Jahrhunderten.
Über 80 Almen mit einer beweideten Fläche von fast 40.000 Hektar werden im Vinschgau noch bewirtschaftet. Allesamt auf 2.000 Meter Meereshöhe und darüber. Die schönsten und ertragreichsten unter ihnen gehören zu den rund zwei Dutzend Sennalmen, die von mehreren Bauern gemeinsam genutzt werden.
Jahr für Jahr werden an die 1.200 Milchkühe zur Sömmerung auf diese Almen getrieben. Die aus der Milch gewonnene Alpbutter oder Alpkäse – vom Senn nach althergebrachter Tradition verarbeitet – sind einzigartig in Qualität und Geschmack.
Diese Almen sind ein einmaliges Ausflugsziel. Hier findet der Wanderer Ruhe und Erholung, er kann sich eins fühlen mit der ihn umgebenden Natur. Und das Schönste dabei: Die Almen atmen den Hauch der Jahrtausende, sie sind auch heute noch fester Bestandteil der Viehwirtschaft und keine künstlich am Leben erhaltene Versatzstück für den Tourismus. Dazu ist der Alltag auf den Almen zu mühsam. Die Arbeit ist hart. Nicht hochmoderne Technik, sondern Muskelschmalz ist gefragt. Und der Rhytmus wird wie seit eh und je von den Tieren bestimmt. Zwischen drei und vier Uhr morgens schrillt in der Almhütte der Wecker. Ein neuer, mühsamer Tag beginnt.